Die Vorteile eines Online-Gutachtens liegen auf der Hand: Gegenüber herkömmlichen Gutachten können vor allem Zeit und Geld gespart werden. Jedoch sollte man sich vorher im Klaren darüber sein, dass ein Online-Gutachten zwar preisgünstiger, aber nicht in jedem Fall die bessere Lösung ist. Es kommt dabei sehr auf das jeweilige Fachgebiet und den Einzelfall an. Oft kann es von Vorteil sein, wenn sich der Gutachter ein persönliches Bild von einem Schaden oder einem Sachverhalt machen kann, und nicht nur einige Fotos mit ein paar Zeilen Beschreibung dazu per E-Mail zugeschickt bekommt.
„Geiz ist geil.“ Eine Mentalität, die sich zusehends auch im Bereich der Gutachten ausbreitet. Beispiel Immobilien: Fast die Hälfte aller Verkäufer möchte vor dem Verkauf die Immobilie fachkundig bewerten lassen. Geld dafür ausgeben, wollen die Verkäufer dabei nur ungern und wenn doch nötig, dann so wenig wie möglich. Gleichzeitig bieten immer mehr Immobilienseiten im Netz Online-Gutachten für die Immobilienbewertung an, teilweise sogar kostenlos.
Experten warnen jedoch vor solchen vermeintlichen Schnäppchen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass einem Online-Gutachten nie der gleiche Stellenwert wie einem herkömmlichen Gutachten beigemessen wird. Das gilt vor allem für den Einsatz als Beweismittel vor Gericht. Das kommt auch daher, dass in Online-Gutachten in der Regel keine Haftung für die Richtigkeit der Ergebnisse übernommen wird. Außerdem tragen sie oft keine Unterschrift.
Die Experten weisen darauf hin, dass die Erstellung eines Gutachtens aufwändig und damit nicht seriös zum Pauschal-Billigpreis im Internet anzubieten sei. Schließlich erwarte jeder Auftraggeber vom Gutachter seiner Wahl ein Höchstmaß an Professionalität und profundes Fachwissen. „Qualität hat ihren Preis“, könnte ein Grundsatz dabei lauten.
Trotzdem muss es nicht immer ein teures Gutachten sein. Entscheidet sich der Auftraggeber für ein Online-Gutachten, sollte er über die Risiken Bescheid wissen und die Tücken des Online-Gutachtens kennen. Um falsche Ergebnisse oder Wertansätze zu vermeiden und das Gutachten damit wertlos zu machen, muss der Auftraggeber im besonderen Maße darauf achten, seine Angaben an den Gutachten vollständig und möglichst detailliert zu machen. Das Online-Gutachten sieht keinen Termin vor Ort vor, an dem sich der Gutachter ein persönliches Bild machen kann. Er ist ganz auf die Angaben und Beschreibungen seines Auftraggebers angewiesen. In manchen Fällen kann eine wirklich objektive Bewertung nur erfolgen, wenn sich der Gutachter auch ein persönliches Bild macht. Ohne eine solche Besichtigung muss das Gutachten nicht zwangsläufig falsch werden, aber es weist nicht selten Ungenauigkeiten auf. Das kann mitunter auch mit regionalen Besonderheiten zu tun haben, die in einem anonymen und standardisierten Online-Gutachten keine Beachtung finden. Beispiel Grundstücksbewertung: Die künftig geplante Autobahn in der Nähe eines Grundstücks kann den Wert dessen steigern. Davon Kenntnis hat aber in der Regel nur der ortsansässige Gutachter.
In einigen Fällen kann es auch vorkommen, dass die Anbieter von Online-Gutachten in ihren mehrseitigen Expertisen Texte mit langen standardisierten Passagen einflechten, die auf den Laien zwar professionell wirken, in der Praxis aber wenig Aussagekraft für den Einzelfall besitzen.
Übrigens: Wer Geld sparen will, sollte sich vorher informieren, ob für den vorgesehenen Verwendungszweck ein Online-Gutachten ausreichend ist oder ob ein Vollgutachten benötigt wird. Wird das beauftragte Online-Gutachten im Zweifel nicht anerkannt und muss ein herkömmliches Gutachten hinterher beauftragt werden, zahlt der Kunde im schlimmsten Fall zweimal.